Vierzig erfolgreiche Bühnenjahre – das soll man Euch Puhdys erst einmal nachmachen! Dass eine Gruppe über so viele Jahrzehnte zusammenhält, sich treu bleibt, gemeinsam durch dick und dünn geht, ist schon außergewöhnlich. Und dass Ihr darüber hinaus Euren Erfolg als Musiker halten konntet, ist wirklich bewundernswert ...“ Kein Geringerer als Filmlegende Mario Adorf schreibt diese Worte – im Vorwort zur Puhdys-Biografie „Abenteuer Puhdys”, die anlässlich des 40-jährigen Bühnenjubiläums der Band in den Handel kam (Verlag neues leben). 320 Seiten mit bislang unveröffentlichten Fotos und Geschichten über die erfolgreichste Rockband der DDR!
Zum Start erzählt Dieter „Maschine“ Birr seine Geschichte – und beginnt mit einem traurigen Geständnis aus seiner Kindheit:
„Mutter sprach vom Glück, das sie mit mir als Baby erleben durfte, von meinem ersten Lächeln, meinem ersten Wort – und davon, wie es schlagartig im Februar 1945 zerstört wurde. In jenem Monat also, als die bei Warschau durchgebrochene Rote Armee Ostpreußen vom übrigen Deutschland abzuschneiden drohte und Flüchtlingstrecks aus Ost- und Westpreußen durch Köslin zogen. Ungefähr 65.000 Menschen schleppten sich damals bei Eis und Schnee westwärts in Richtung Stettin. Überwiegend Frauen mit ihren Kindern.
Frierend, hungernd und mit der lähmenden Angst im Nacken, jeden Moment von russischen Soldaten abgefangen und vergewaltigt zu werden. Ich ahnte, was Mutter mir sagen wollte, und hörte gespannt zu. „Auch ich war mit dir, mein Junge, in dem Flüchtlingstreck dabei“, erzählte sie kopfnickend. „Und hielt dich ganz fest in meinen Händen, als mich plötzlich ...“ Für eine Sekunde hielt sie inne, bevor sie mit Tränen in den Augen weitersprach. „ ... ein Soldat aus der Menge mit Gewalt herauszerrte.“
Eine Ewigkeit der Demütigung
„Ich wusste sofort, was mir bevorstand, und konnte noch schnell mein Baby einer anderen flüchtenden Frau in den Arm drücken. Das war dein Glück, mein Sohn, denn viele Kinder sind damals einfach so erschossen worden.“ Was Mutter dann offenbarte, verschlug mir fast den Atem. Sie wurde brutal geschlagen, in einen Schuppen unweit des Trecks entführt – und von mehreren russischen Soldaten vergewaltigt. Es dauerte nicht lange, doch für meine Mutter muss es eine Ewigkeit gewesen sein.
Eine Ewigkeit der Demütigung, eine Ewigkeit des Gestanks von Alkohol und Tabak, eine Ewigkeit voller Angst um ihr Leben – und um ihr Kind. „Irgendwann ließen sie mich frei“, erzählte sie weiter. „Ich lief mit Tränen im Gesicht und Schmerzen verzweifelt dem Treck hinterher und hatte nur einen quälenden Gedanken: Hoffentlich bekomme ich meinen Sohn wieder! Ich bin an all den ausgemergelten Gesichtern des Trecks vorbeigerannt, immer auf der Suche nach der Frau, an die ich dich übergeben hatte. Irgendwann entdeckte ich sie – und es fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich dich wohlbehalten in ihrem Arm sah“, erinnerte sich Mutter ...“
Als Jugendlicher war Maschine ein ängstliches Kind. Bis zu dem Tag, an dem er über sich hinauswuchs – und mit einem Faustschlag seine Musikerkarriere begann ...
„In der Schule gab es einen Typen, der ebenso wie ich ein Außenseiter war. Er hieß Klaus, hatte rote Haare und provozierte mich gern auf dem Schulhof mit blöden Sprüchen und kampfeslustigen Blicken. Ich wusste, der ist es, mit dem ich irgendwann zusammenrasseln werde. Und tatsächlich – einmal schlug ich ihm nach einer Anmache den Vorderzahn ein. Ich war selbst sprachlos über meinen Mut, und die ganze Schule staunte. Danach wurden Klaus und ich die besten Freunde und er meine schicksalhafte Bekanntschaft.
Denn sein Vater hatte in seinem Haus allerhand ausrangierte professionelle Tonbandgeräte und konnte selbst Vinylplatten schneiden. Das war die Gelegenheit für uns Jungen, uns musikalisch auszuprobieren. Gitarre konnte ich ja bereits ein wenig spielen, da ein Schulkamerad mir vorher ein paar Griffe beigebracht hatte. Nun holten Klaus und ich ein paar Musiker zusammen. Und ich produzierte meinen ersten eigenen Song. Ich nannte ihn „Susi Baby-Twist“. Heute ist er auf der ersten Raritäten-CD der Puhdys verewigt ...“